ICH und SEIN

Unser ICH ist das, wofür wir uns halten und was wir zu sein glauben. 

In Wirklichkeit ist es aber so, dass wir nicht mit einem festen Ich auf die Welt kommen. Dieses  bildet sich vielmehr in den ersten Lebensjahren aus durch die Resonanz mit unserer Umwelt, insbesondere mit den engesten Bezugspersonen, also meist den Eltern. In ständiger Wiederholung und zunehmender Gewohnheit laufen im Gehirn neuronale und biochemische Muster der Verarbeitung ab: Die Grundlage für unser Ich bzw. Ichgefühl.
Wenn sich diese Abläufe im Erwachsenenalter konsolidiert haben, empfinden wir Erfahrungen als befremdlich, unpassend oder "falsch", die nicht mit diesen gewohnten Abläufen übereinstimmen. So verfestigt sich das ICH und lässt uns üblicherweise immer weniger Spielraum für neue Erfahrungen. 

Könnten wir uns selbst aus unserem SEIN (also aus unserer naturgegebenen Existenz) heraus erfahren und nicht nur aus dem ICH heraus, würde sich ein ganz anderes Selbstgefühl offenbaren. Das SEIN ist nichts anderes als Verbundenheit im Raum (alles steht miteinander in reaktivem Kontakt), Gestaltung (aus der reaktiven Resonanz entsteht immer etwas. Die Natur ist Schaffenskraft) und permanente Veränderung. 

WIr alle unterliegen den Prinzipien des Seins, die wir uns aber selten bewusst machen, und den Gesetzmäßigkeiten unseres erworbenen Ichs, dessen Hauptbestreben der Schutz vor Veränderung ist. Das Ich will keine Störung und keinen Wandel. Es reagiert auf das natürliche Prinzip der Veränderung in der Regel mit Angst. 

Wenn wir ein Problem haben oder unter etwas leiden, versuchen wir in der Regel, dies im Sinne unseres ICHs zu lösen. Es geht uns dann wieder gut, wenn nach einer Störung die Dinge wieder in den gewohnten Bahnen laufen und alles wieder "passt". Die übliche Therapie arbeitet deshalb auch in der Regel im Sinne unseres Ichs. 

Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass wir unseren Bewusstseinsraum über unser gewohntes ICH hinaus erweiteren in die Erfahrung des SEINS. 
Das bedeutet, unter therapeutischer Anleitung die Ängste und Widerstände, die aus dem ICH kommen, zu lösen und sich in die Erfahrung der permanenten Veränderung, in den Raum der unbegrentzen Möglichkeiten der Gestaltung, in das Fließen von Werden/ Entstehen und Vergehen hinein zu entspannen. In diesem Erfahrungsraum weitet sich die gefühlte Welt. Belastungen und Probleme, die aus den gewohnten Verarbeitungsmustern unseres ICHs entstanden sind, lösen sich unter Umständen in der neuen Erfahrung völlig auf,. Wir können direkt erleben, dass es viele Probleme auf der SEINsebene nicht gibt, sondern dass sie ausschließlich der Bewertung, Einordnung und Gewohnheit unseres Denkens (einem wesentlichen Teil unseres Ichs) entspringen. 

Diese, unser Bewusstsein erweiternde Erfahrung kann sehr hilfreich, tröstlich und entlastend sein. Sie kann uns neben unserem Funktionieren im Alltag bereichern um die gefühlte Gewissheit, dass wir im SEIN gehalten und getragen sind. Das Leben ereignet sich auch ohne dass wir es beständig kontrollieren und im Griff haben. Die Erfahrung des SEINS schenkt uns die Möglichkeit einer tiefen Entspannung, ohne unser Funktionieren einzuschränken. 

Insbesondere bei massiv negativen Gewohnheitsmustern unseres ICHs (Selbstabwertung, ein starker innere Kritiker, Süchte)
bei chronischen Erkrankungen und bei existentiell bedrohlichen Erfahrungen (Verluste, Trauma, Tod usw.) kann die therapeutische Begleitung in die Erfahrung des SEINS, in die Präsenz und Gegenwärtigkeit einen sicheren Raum und eine stabile Stütze in den Belastungen des Alltags schaffen. 

Auf Wunsch kann dieser beschriebene transpersonale Ansatz mit Erläuterungen, Übungen und in der direkten Anwendung bei verschiedenen Problemen als ergänzende Ausrichtung in die Therapie aufgenommen werden.